Vienna Deluxe

Boris Kuschnir

Die internationale Sprache der Geige

Boris Kuschnir, geboren in Kiew und seit fast drei Jahrzehnten in Österreich, hat die Musik nach Wien ver­schlagen. Ein Künstler, der „die internationale Sprache der Geige spricht“ und diese für alle sprechen lässt, widmet sich vor allem der Ausbildung junger Talente, die aus aller Welt kommen, um bei ihm Unterricht zu nehmen und die Geigenklänge in die Welt hinaustragen. Klassische Musik wird in Wien groß geschrieben, und doch gibt es immer etwas zu verbessern, gerade auf dem Gebiet der Musikerausbildung, erzählt Geigenvirtuose Professor Kuschnir beim Interview mit dem Vienna Deluxe.

Welche Erfahrungen machen Sie mit jungen Talenten?

Sie sind voller Motivation und viele von ihnen gewinnen aufgrund Ihres Könnens in Wettbewerben nationale und internationale Preise. Die Förderung sollte jedoch schon im Kindesalter beginnen und ausgeweitet werden, damit viel mehr Mädchen und Buben die Welt der Musik eröffnet wird. Ich hoffe, dass es noch viele junge Talente geben wird, die sich auf den Weg der klassischen Musik begeben und denen ich diesen Weg zeigen darf. Zu meinen Schülern und Schülerinnen zählen z. B. die Geigensolisten Julian Rachlin, Nikolaj Znaider, Lidia Baich oder auch einige ausgezeichnete Geiger und Bratschisten, die jetzt bei den Wiener Philharmonikern spielen. Es sind großartige Musiker, die mit Herz und Verstand musizieren und all die Mühen und Strapazen auf dem oft anstrengenden Ausbildungs- und Berufsweg eines Solisten oder eines qualitätvollen Orchestermusikers nicht gescheut haben.

Ist Wien die Stadt der Musik für Sie?

Ja, das ist sie, ohne Zweifel. Viele klassische Musiker aus der ganzen Welt zieht es zur Ausbildung nach Österreich, auch aus Russland, wo ich selbst meine Geigerausbildung in der so genannten Russischen Schule, nämlich am Tschaikowsky-Konservatorium In Moskau, absolviert habe. Doch auch in Österreich selbst gibt es viele musikalische Talente, die unbedingt eine besondere und Individuelle, man könnte sagen „maßgeschneiderte“ Förderung brauchen. Solche Talente brauchen Beachtung und sorgfältige Unterstützung durch die Musikinstitutionen, aber auch durch die allgemeine Schule, durch den Lehrer, man muss ihnen die Möglichkeit geben, das zu werden, was in ihnen steckt, auch — und besonders — dann, wenn sie aufgrund ihrer Begabung anders sind als ihre Mitschüler.

Die Musik hat viele positive Auswirkungen auf den Menschen, nicht nur für jene, die eine große Musikerkarriere erreichen. Dem sollte man unbedingt mehr Beachtung schenken. Die Sparmaßnahmen der letzten Jahre, die wir in allen Lebensberei chen erfahren mussten, sind in der musikalischen Ausbildung besonders traurig und haben harte Auswirkungen, die wir noch jahrzehntelang in der Zukunft spüren werden. Deshalb sollten sich die Verantwortlichen das Jetzt ganz klar machen, welche Folgen eine zu geringe Förderung auf dem Gebiet der klassischen Musik hat. Es wäre schön, wenn die klassische Musik einmal in Österreich mindestens den gleichen Stellenwert in den Medien bekäme wie manche Sportart.

Was bedeutet die Geige für Sie?

Mit seinem Instrument muss man eins werden. Jede Violine hat ihren eigenen Klang, ihre eigene Geschichte — sie spricht mit einem und verzaubert, wenn man sich ihr hingibt. Musik muss man spüren, und wenn sie von Herzen kommt, empfinden das auch die Zuhörer. Ich persönlich habe die Ehre, auf einer Violine des Cremoneser Meisters Antonio Stradivari aus dem Jahre 1703 spielen zu dürfen. Es ist eine unglaubliche Erfahrung, dieses mehr als dreihundert Jahre alte Instrument in Händen zu halten, seine Geschichte und seine Persönlichkeit zu spüren und seinen magischen Klang herauszuholen. Diese wunderbare Violine gehört der Österreichischen Nationalbank, die eine phantastische Sammlung von wertvollen Streichinstrumenten angekauft hat und diese leihweise österreich ischen Künstlern zur Verfügung stellt. Das ist phantastisch, das ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Förderung aussehen sollte. Und das gibt es in Österreich!

Sie haben einige weltweit bekannte Ensembles mitbegründet, wie das „Wiener Schubert Trio“ oder „Wiener Brahms Trio“ und sind jetzt mit dem Kopelman Quartett international auf Tournee. Ist dies ein Ausgleich für Sie?

Es ist schön, nicht nur zu lehren, sondern die Leidenschaft der Musik auch vor Publikum weitergeben zu können. Wenn es die Zeit erlaubt, spielen wir in Konzertsälen auf der ganzen Welt. Das inspiriert unglaublich.

Worauf sind Sie stolz?

Auf meine Schüler. Es erfüllt mich mit großer Freude, mit welchem Erfolg und mit welcher Hingabe sie den Menschen die Geigenkunst näher bringen. Persönlich bin ich natürlich auf meine Familie stolz, auf meine zwei Söhne. Und beruflich darauf, dass ich tue, was ich liebe. Die Auszeichnungen, die ich dafür erhalten habe, wie den Professortitel und das Große Silberne Ehrenzeichen für die Verdienste um die Republik Österreich, sind schöne äußere Zeichen dafür, dass meine künstlerische Arbeit in Österreich Anerkennung gefunden hat, natürlich freut mich das. Aber für mich ist es einfach wichtig, dass ich mit meiner Liebe zur Musik und zur Geige den richtigen Weg gegangen bin, das macht mich glücklich.

Vienna Deluxe, März 2010

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