Wien in Weinfelden

Schmelztiegel Wien: Beim jüngsten Konzert der Theater- und Konzertgesellschaft Mittelthurgau in Weinfeldens prächtigem Rathaussaal ist einmal mehr deutlich geworden, wie attraktiv diese Stadt für Musiker aller Nationen ist.

 
Das Wiener Brahms Trio – auch sein Namensgeber kam einst aus Hamburg dorthin – besteht aus dem ukrainischen Geiger Boris Kuschnir, dem im Tessin geborenen Cellisten Orfeo Mandozzi und der serbischen Pianistin Jasminka Stancul. In Wien schlossen sie sich zum Brahms Trio zusammen und unterrichten, Kuschnir als einer der renommiertesten Violinprofessoren unserer Zeit. Über ihn kam auch die Verbindung nach Weinfelden, denn die Schweizer Geigerin Katja Hess, Mitglied des Artemis Trios und Musikverantwortliche der Theater- und Konzertgesellschaft Mittelthurgau, hat bei ihm studiert.

Duftig bis atemberaubend

Französisch und russisch, schwelgend in romantischen Klängen bei Chausson, duftig und farbenreich bei Debussy, atemberaubend bei Schostakowitsch gab sich das Wiener Brahms Trio am Sonntag. Da schwingen die beiden Streicher ganz natürlich und homogen im selbstverständlichen Zusammenspiel, webt die Pianistin einen feinen Klangteppich für ihre Kollegen oder übernimmt kraftvoll die Führung.

Fast aus der gleichen Zeit stammen die beiden Klaviertrios der Franzosen, wobei Ernest Chausson eher die Leidenschaft der Hochromantik spiegelt und Debussy in seinem Frühwerk schon den neuen französischen Geist präsentiert. Die Musiker machen das sehr deutlich in der sehnsuchtsvollen Intensität des Streicherklangs, den sensibel weiter getragenen Melodiebögen, der grossen Ausdruckskraft, Eleganz und Lebendigkeit ihres Spiels. Der gewichtigen Schwere Chaussons steht Debussys Transparenz gegenüber, gleichwohl gibt es auch bei ihm rauschhafte Steigerungen.

Nach der Pause stand das gewaltige Klavierquintett von Dmitri Schostakowitsch auf dem Programm: Nun kamen mit der 24jährigen Geigerin Alexandra Soumm und dem zwei Jahre älteren Engländer Benjamin Marquise Gilmore zwei junge Musiker mit Herzblut und Engagement dazu. Alexandra Soumm, in Moskau geboren und in Frankreich aufgewachsen, kam bereits als 12-Jährige zu Boris Kuschnir.

Energisch: Kuschnirs Schülerin

Jetzt überliess er ihr sogar den Platz am ersten Geigenpult, sie stürzte sich mit brennender Energie in ihre Aufgabe. Benjamin Gilmore studiert Violine und Viola in Wien und ist ein ebenso leidenschaftlicher Kammermusiker, der sich an der Bratsche mit grosser Präsenz integrierte. Schostakowitschs Klavierquintett aus dem Jahr 1941 geht mit seiner Mischung aus Tragik, Sarkasmus und Volksmelodik unter die Haut und lässt niemanden unberührt. Da eröffnete Jasminka Stancul das Werk mit brausenden Klängen, schwangen sich die Streicher zu orchestraler Fülle auf. Im stärksten Gegensatz dazu hob die Fuge aus dem Nichts kommend an, bezog langsam alle Instrumente mit ein. Unerbittlich in seinem zwingenden Rhythmus und seiner Raserei war der packende Mittelsatz, mit den beiden einsamen Stimmen von Violine und Cello tauchte man danach nochmals ein in eine neue Welt.

Dvorák und Debussy zum Ende

Auch die Doppelbödigkeit des einerseits naiven, andererseits grimmigen Finales arbeiteten die Musiker perfekt heraus. Zur Entspannung präsentierten sie dem begeisterten Publikum noch ein sprudelndes Scherzo von Dvorák und eines von Debussys sacht schwingenden Abendliedern.

Katharina Glasenapp

→ Thurgauer Zeitung, 5. März 2014

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